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Wie Stefan Keller zum christlichen Glauben kam

↓ Zwei leere Jahre und der Anfang der Lehrjahre
↓ Zum Date in die Kirche gelockt
↓ Ein neuer Weg mit unbekanntem Ziel
↓ 12 Tage Grundlagenforschung
↓ Was sich seither geändert hat

Zwei leere Jahre und der Anfang der Lehrjahre

Die zwei Jahre vor meiner Berufsausbildung bestanden aus Leergängen und Nichts. Das erste halbe Jahr war noch sinnvoll, weil ich da meine Fachhochschulreife vervollständigt habe. Als ich endlich zum Studium der Elektrotechnik immatrikuliert war bekam ich einen Monat später vom Arbeitsamt eine Ausbildung im Berufsförderungswerk Frankfurt am Main, Standort Bad Vilbel, angeboten – mit der Randbedingung „Jetzt oder nie!” Ich nahm das Angebot an, ging nach Bad Vilbel und nach tagelangen Idioten- und anderen Tests bekam ich eine Empfehlung und anschließend eine Zusage für den Ausbildungsplatz.

Ich hatte mein Etappenziel erreicht. Die folgenden 27 Monate waren mir sicher. Ich hätte zufrieden sein sollen, während ich mich im Internat einlebte. Aber das seit zwei Jahren ersehnte Erfolgserlebnis blieb aus. Stattdessen fragte ich mich: „War das schon alles? Gibt es ein nennenswertes Leben außerhalb vom Internat? Außerhalb von Lernen, Schlafen, Arbeit, Essen?” Ich hatte noch keine Kontakte außerhalb. „Gibt es ein Leben, gibt es Ziele nach der Berufsausbildung? Wofür machen wir das alles?

Es musste doch mehr geben da draußen. Gerade ich, der regelmäßig Akte X und Star Trek geschaut hatte, als diese Serien noch aktuell waren, hatte noch den Satz im Ohr: „Die Wahrheit ist irgendwo dort draußen”. Also nicht in mir und nicht im Internat. Nicht im Lernen und Wohnen oder später im Hausbauen und Kinderversorgen. Damals waren für mich auch noch die Matrix-Filme aktuell. Auch da wurden Menschen in einer Scheinwelt beschäftigt. Und wieder die Frage: „Wenn das alles einen Sinn machen soll: Welchen?”

Zum Date in die Kirche gelockt

Es begann im Speisesaal des Berufsförderungswerks. Da fiel mir eine Frau auf, die hier Gärtnerin lernte, und ich dachte: „Die musst Du kennenlernen!” Ich sah in diesem Moment keine Gelegenheit. Eine Woche später sah ich im Vorbeilaufen, wie sie dem Pförtner eine Zeitung mit Stellenanzeigen unter die Nase hielt und nach seiner Meinung fragte. Ich traute mich noch immer nicht, sie anzusprechen.

Noch eine Woche später war ich gerade am Waschen. Als ich die Wäsche in den Trockner stecken wollte, traf mich der Schlag. Wutentbrannt lief ich mit dem zerissenen Flusensieb in der Hand aus dem Keller, um mich beim Pförtner zu beschweren. Da stand Petra* wieder und hielt ihm eine Zeitung mit Wohnungsangeboten unter die Nase.

Dieses Mal musste ich näher kommen, schließlich hatte ich auch etwas zu sagen. Dafür brauchte ich mich nicht erst anstellen. Der Pförtner rief an Petra* vorbei: „Was ist?” Mit ausladender Geste und verzogenem Gesicht sah ich wahrscheinlich so aus, als würde ich bald Gott weiß wem das Flusensieb um die Ohren hauen. Ich trat also näher und sagte dem Pförtner was Sache war. Er meinte, ich solle einen anderen Trockner benutzen.

Bei dieser Gelegenheit sprach ich Petra* an, ob wir mal etwas zusammen unternehmen können. Naja, normalerweise gehe sie nach dem Unterricht gerne spazieren oder ins Café. Da ihre Prüfungen kurz bevor stünden, habe sie dafür nicht mehr die Zeit. Aber sie gehe nach wie vor in den Gottesdienst. Da könne ich doch mitgehen. Ich dazu: „Äh wie bitte, Gottesdienst? Ich weiß schon gar nicht mehr, wie das geht!” – „Och das ist einfach. Das kriegst Du schon hin. Da steht eine Band vorne und…” Was sie dann noch sagte weiß ich nicht mehr. Es hat mich auch nicht mehr interessiert. Das Date war mir sicher so wie mein Ausbildungsplatz – aber mit Erfolgserlebnis! Wir verabredeten uns für den kommenden Sonntag um 8:10 Uhr an der Pforte.

An Sonn- und Samstagen gab es im Speisesaal des Internats erst ab 9:30 Uhr Frühstück. Das war aber nicht weiter schlimm, weil man sich beim Mittagessen immer etwas für den Abend einpackte. Ich musste also einfach mehr einpacken: Für drei Mahlzeiten anstatt für eine. Das Mittagessen am Sonntag würde ich nämlich auch verpassen. Aber das war es mir wert. Petra* ging immer in Frankfurt in den Gottesdienst. Der einfache Weg dauerte eine Stunde. Aber auch das war kein Hinderungsgrund für mich. Wir trafen uns wie verabredet um 8:10 Uhr an der Pforte und liefen gemeinsam zum Bahnhof.

Im Gottesdienst wurde der „Impulstag” beworben, eine Veranstaltung, die am Samstag darauf woanders in Frankfurt stattfinden sollte. Als der Gottesdienst zu Ende war nahm ich einen Flyer vom Impulstag mit und blieb noch zum Mittagessen im Gemeindehaus. Es war gut und preiswert.

Ein neuer Weg mit unbekanntem Ziel

3. Juli 2004. Es war mir egal, ob Petra* mich zum Impulstag begleiten würde, und sie tat es auch nicht. Ich hatte auf einmal andere Prioritäten. Ob ich ahnte, dass ich auf dem richtigen Weg war, ein paar Antworten zu bekommen? Ich weiß es nicht mehr. Ich kam zu spät zum Impulstag und wäre beinahe kurz vor dem Ziel umgekehrt, in einem Industriegebiet, in dem am Wochenende kein Mensch zu finden war. „Was mache ich hier bloß?” fragte ich mich.

In einem Kellergeschoss in einem unauffälligen Haus fand ich verschwitzte Achseln und Tanktops. Sogar das Mischpult schien zu schwitzen. Noch ein Mal fragte ich mich, was ich hier überhaupt mache und warum. Bald war das letzte Lied gespielt. Danach begann ein Vortrag über die Einheit der Christen – das Motto der Veranstaltung. Ein paar schrieben den Vortrag mit. Freiwillig! Ich war beeindruckt. Normalerweise hat man doch lieber acht Stunden Schule als gar keinen Schlaf.

Nach dem Vortrag löste sich die Menschenmenge auf. In den umliegenden Räumen gab es verschiedenes zu entdecken. Wer sich für „kreatives Beten” interessiert, sollte vor der Bühne auf die Referentin warten, auch wenn das Angebot an sich in einem eigenen Raum stattfand. Ich schätze, die paar, die mit mir zusammen warteten, konnte man an einer Hand zählen.

Begegnung mit einem Unsichtbaren

Die Referentin kam. Sie erzählte zuerst, dass sie seit kurzem Taek Wan Do mache. Wenn sie alleine am Boxsack trainiere (oder sich abreagiert) nutze sie die Gelegenheit, um Gott zu sagen, was ihr nicht passt, wobei sie mit Stößen und Tritten ihren Worten Nachdruck verleihe. Ich war beeindruckt und überrascht. Ich dachte bis dahin, wenn Gott Gott ist, müsste man da mit mehr Respekt rangehen. Ich hatte mich wohl geirrt.

Anschließend betraten wir den Gebetsraum. Ich nahm das Gebetsbuch an mich. Es war ein Leerbuch, das von den Besuchern vollgeschrieben wurde. Ich las was die Besucher vor mir geschrieben hatten. Wenn ich mich richtig erinnere reichten ein paar Einträge bis vor den Impulstag zurück. Ich ließ meine Gedanken gleiten. Dann fing ich selbst an zu schreiben. Erst das Datum und dann nichts als Fragen. Es waren aber nicht die Fragen von oben „Wofür machen wir das alles?” sondern Fragen nach dem moralischen „Richtig” und „Falsch” und schlussendlich: „Wer sagt, wo's lang geht?”

Nach einer weiteren schöpferischen Pause schrieb ich gedankenlos die Antworten auf meine eigenen Fragen. Als ich fertig war erschrak ich über das was ich geschrieben hatte: So etwas würde ich mir nie anmaßen. Es stand mir nicht zu, solche Aussagen zu treffen! Obwohl sie an sich sehr vernünftig klangen und gerecht; sogar mehr, als dass sie meinem eigenen Verstand entspringen könnten. Mich beschlich das dumpfe Gefühl, dass Gott durch meine Hände gesprochen hatte. Das war unheimlich. „Was geht ab? Bin ich vielleicht im falschen Film?”

Wie Johanna meinen Fragen stand hielt

Zum Glück war Johanna in der Nähe. Sie musste die Fragezeichen gesehen haben, die sich auf meiner Stirn bildeten, denn sie ging auf mich zu. Sie fragte, was ich entdeckt habe. Ich dachte, sie meinte das Buch. Ich erzählte ihr also dasselbe, das Sie in den letzten zwei Absätzen gelesen haben. Als ich geschlossen hatte sagte sie, es könne durchaus sein, dass Gott auf diesem Weg zu mir gesprochen habe.

Aha. Gut. Ich war also nicht verrückt. Nach dieser Erleichterung lud ich meine aufgestauten Fragen auf Johanna ab. Ich legte ihr mein Weltbild dar, das ich mir aus den skurilsten Zutaten selbst zusammen gemischt hatte. Ich fragte was davon ich nun in die Tonne treten könne. Johanna nutzte die Gelegenheit und erzählte mir die biblische Schöpfungsgeschichte. Ich hörte zu. Das heißt, ich hatte zu allem eine Frage. Wie hat Johanna das bloß ausgehalten? Ich nahm die Geschichte Stein für Stein auseinander und setzte sie in meinem Kopf wieder zusammen um zu prüfen, ob alles passt.

Ich weiß nicht mehr, ob sie oder ich damit angefangen hatte. Jedenfalls kamen wir auf Jesus Christus zu sprechen, der am Tag des Impulstages nur beiläufig erwähnt worden war, der aber für alle eine entscheidende Rolle zu spielen schien. Warum musste er sterben? Johanna fragte mich, ob mir der Sündenfall ein Begriff sei. War er nicht. Also erzählte sie mir als nächstes auch noch den Sündenfall. Während dieses Themas wurden wir aus dem Gebetsraum verwiesen. Wir hatten genug gestört.

Wir gingen zwei Stockwerke nach oben. Unbeirrt lehrte Johanna mich die Grundlagen von Vergebung und Vergebung annehmen. Engtgegen meinem ersten Eindruck war ich bald beeindruckt davon wie die Menschen hier miteinander umgingen und wollte selbst so werden. Bevor ich das Haus verließ ließ ich mir eine von den Bibeln schenken, die massenhaft im Gebetsraum standen.

Zwei Jahre später sollte ich von Johanna selbst hören, dass sie innerlich schon auf dem Weg nach Hause war, als sie mich fand. Danke für diese halbe Stunde, die mein Leben verändert hat!

Zwölf Tage Grundlagenforschung

In den folgenden zwölf Tagen las ich das Lukas-Evangelium – den längsten Bericht über das Leben von Jesus Christus, den mir niemand empfohlen hatte, aber ich wollte es eben ganz genau wissen. Am liebsten las ich im Unterricht und im Bett. Im Unterricht gab es eh noch nichts für mich zu lernen. Thema war das Ohm'sche Gesetz. Und das war für mich kein Thema. Außerdem brauche ich keine drei Tage, um eine Formel umzustellen. Der Ausbilder sah es anscheinend genauso, denn er ließ mich lesen.

In der Nacht auf Donnerstag, 15. Juli war ich wieder am Waschen. Währenddessen las ich das Lukas-Evangelium zu Ende. Ich weinte herzlich, als ich die Folterungen Jesus' las. Wenn es jemand nicht verdient hat, dann er! Das hatte nichts mehr zu tun mit dem klassichen griechischen Drama, das sich in den ersten drei Akten scheinbar zum Besten wendet und danach geht alles zu Bruch. Hier ging es anders herum. Nachdem Jesus alles erdenklich Gute für die Menschen getan hatte, haben sie ihn in einem rießigen Festakt hingerichtet. Nach dem Lesen sagte ich unter Tränen: „Nein, Jesus, das hätt's nicht gebraucht. Nicht für mich!” Als ich fertig war mit Waschen war ich vom Lesen geschafft. Ich vergaß sogar, den Schlüssel für die Waschmaschinen innerhalb der vorschriftsmäßigen Zeit zurückzugeben.

Donnerstag Abends traf sich die Bibelgruppe des Internats in einer kuscheligen kleinen Bibliothek. Ich erzählte was ich in der vergangenen Nacht gelesen und dabei gefühlt hatte. „Für mich hätt's das nicht gebraucht” wertete ich. Sie redeten mir gut zu, dass ich es doch wert sei. Ich hatte noch meine Zweifel, ließ das aber so stehen. Sie beteten für mich, dass ich in der kommenden Nacht die Information doch noch verdaue.

Am Freitag, 16. Juli 2004 wachte ich auf in dem Bewusstsein: „Ja! Jesus hat das für mich getan und ich bin es wert”

Was sich seither geändert hat

Auf ein Mal wusste ich meine Ausbildung zu schätzen. Plötzlich wusste ich so einiges zu schätzen.

Ich habe innerlich Frieden geschlossen mit meiner alten Schule, von der ich „nur” die Fachhochschulreife mitgebracht habe. Ich hatte es immer als unehrenhafte Entlassung empfunden, dass ich ohne Vollabitur abgehen musste, und die Fachhochschulreife als eine zu billige Abfindung. Früher hätte ich dort am liebsten eine Bombe gelegt. Jetzt suche ich die Möglichkeit, den Schülern dort zu dienen (z.B. mit Hausaufgabenbetreuung); allerdings nicht im Alleingang, sondern mit meiner neuen Kirchengemeinde, die weniger als einen Kilometer von der Schule entfernt ist.


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