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Politik
Lehrgänge der BA oft zu teuer
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↓ Anrede und Einleitung ↓ Beispiel 1 (TuWas) ↓ Beispiel 2 (BfW) ↓ Beispiel 3 (GAL) |
↓ Zusammenfassung ↓ Verbesserungsvorschläge ↓ abschließende Bitte ↓ Antwort von Herr Zöller |
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Sehr geehrter Herr Zöller,
mit Unbehagen habe ich zur Kenntnis genommen, dass möglicherweise bald viele Lehrgänge der Bundesagentur für Arbeit wegfallen werden auf Grund von Sparmaßnahmen. Ich bin aber davon überzeugt, dass sich das ganz oder teilweise vermeiden lässt, selbst wenn die BA weniger Geld als bisher einnimmt. Ich habe selbst an einigen Lehrgängen teilgenommen und kann Ihnen daher sagen wo das Geld ungenutzt verschwindet. Wenn Sie die Zeit finden, lesen Sie die einzelnen Berichte. Eine Kurzfassung der Kritik und Verbesserungsvorschläge finden Sie ab Seite drei.
Im Jahr 2009 habe ich an einem Lehrgang mit dem Namen TuWas teilgenommen. Das heißt „Training und Weiterbildung für arbeitslose schwerbehinderte Menschen”. Am Anfang hat es mir richtig gut gefallen und das Bewerbungstraining sah vielversprechend aus. Wir lernten unkonventionelle und individuelle Bewerbungen zu schreiben. Dann haben wir mehrere Vorstellungsgespräche geprobt.
Schließlich mussten wir noch ein paar Tage darauf warten, dass ein Computerraum frei wurde. In dieser Zeit hat uns der Dozent alles mögliche erzählt, was aber herzlich wenig mit Arbeit und Bewerbungen zu tun hatte. Es nützt nichts, wenn man dem Arbeitslosen beibringt, wie man ein Atomkraftwerk baut, wenn er nacher noch nicht einmal einen Platz an der Supermarktkasse bekommt. Es nützt auch nichts, wenn man einem Drucker, einem Elektriker und einer Rechtsanwaltsfachangestellten beibringt, wie man im Supermarkt werbewirksam die Ware anordnet. Genau letzteres kam nämlich in einem Vortrag vor, den wir uns anhören mussten in der Woche, bevor der Computerraum frei wurde. An diesen Tagen wurde nicht nur Geld, sondern auch Zeit verschwendet. In dieser Zeit hätten die Teilnehmer schon daheim auf Stellensuche gehen können.
Als wir schließlich im Computerraum waren, hatten wir superneue Computer vor uns, die aber noch kaum getestet waren. Im Laufe von Wochen stellte sich heraus, dass Onlinespiele im Webbrowser durchaus möglich waren, während die Stellenbörsen irgendwo hängen blieben; typischerweise, nachdem ich bei einer Stelle auf „Details” geklickt habe. Bewerbungen per Email versenden war vorher in der Theorie dran, funktionierte aber in der Praxis nicht, insbesondere, weil man keine Anhänge hochladen konnte. Zeitweise konnte man sich bei bestimmten, bekannten Emaildiensten (beispielsweise GMX) gar nicht einloggen. Mit dieser Sperre sollte vermieden werden, dass wir im Bildungsinstitut unsere private Korrespondenz erledigen. So braucht man sich nicht darüber wundern, dass die Kursteilnehmer gezwungenermaßen „Wer wird Millionär?” oder „Meine kleine Farm” spielten, denn irgendwie mussten wir ja vorgeben, beschäftigt zu sein, damit wir nicht rausgeschmissen werden.
Was mich von vornherein gewundert hat: Als ich beim Arbeitsamt Obernburg mich nach dem Lehrgang erkundigte, hieß es, der sei gut, weil 70% vermittelt werden. Mit der Einstellung „bis jetzt haben wir immer 60% – 70% und mehr geschafft” ging das Bildungsinstitut an die Arbeit – und fiel auf die Nase. Drei Teilnehmer waren bereits in meinem Jahrgang zur Wiedervorlage. Nicht annähernd 70% wurden vermittelt.
Eins vorab: Ich findes das Berufsförderungswerk Frankfurt am Main in Bad Vilbel nicht schlecht, im Gegenteil! Ich würde es jedem Umschüler empfehlen.
Ich habe dort als Einziger im ganzen Jahrgang die ErstAusbildung gemacht. Alle Kollegen waren Umschüler und wurden von der Rentenversicherung bezahlt.
Die Misswirtschaft besteht hier vor allem darin, dass im Speisesaal die Teilnehmer unbegrenzt essen können. Das wäre an sich nicht schlimm, wenn die Teilnehmer damit vernünftig umgingen. Aber oft sind die Augen größer als der Magen. Dann gehen zum Abendessen ein oder mehrere Stapel Aufschnittwurst zurück. Zum Frühstück werden am Büffet ganze Müslischalen (zugegeben kleine) mit Marmelade gefüllt, von der anschließend nur ein Viertel aufs Brötchen geschmiert wird. Und wenn jemandem das Mittagessen nicht schmeckte, wurde es einfach aufs Förderband gestellt und ein anderes Menü geholt. Kostet ja nichts!
Auf der anderen Seite hat das BfW schon seit Ewigkeiten nicht die Fensterdichtungen ausgetauscht. Deshalb musste ich im Internat in meinem Zimmer die Fenster abkleben, um im Sommer nicht zu zerfließen. Sie erahnen schon die Heizkosten.
Es ist an der Zeit, dass RV und BA Rechenschaft fordern für die Ausgaben. Nicht nur, dass woanders die Menschen verhungern und hier quellen die Schweineeimer über – es wäre auch sinnvoll gewesen, das Geld stattdessen für Lehrmittel auszugeben.
Im Jahr 2002, nach der zwölften Klasse ging ich von der Schule ab. Im Anschluss wurde ich vom Arbeitsamt auf einem Lehrgang geschickt. Ich wurde in eine Klasse gesteckt mit jungen Menschen, die scheinbar von der Straße aufgelesen worden waren. Ein großer Teil hatte noch nicht mal einen Qualifizierenden Hauptschulabschluss.
Es wurden also vier Klassen gebildet: Kaufmännisch, sozial, gewerblich-technisch und eine Qualiklasse. Ich habe es so erlebt, dass viele Kollegen lieber Streit anfingen, anstatt etwas vom Unterricht mitzunehmen. So wurden weitere Teilnehmer demotiviert Wir hatten einen Dozent, der uns derbe Geschichten vorlas und der uns buchstäblich vom Krieg erzählte.
Auch wäre ich im Bildungsinstitut beinahe in eine Schlägerei involviert geworden. Zum Glück konnte ich Zeit schinden, bis die Lehrerin wieder kam. Wer den Lehrgang nicht zu schätzen weiß, wer lieber Aufruhr und Demotivation verbreitet, gehört meiner Meinung nach rausgeschmissen.
Ich war überhaupt nur dort, um eine Praktikumsstelle zu finden, und a.d.W. meine Fachhochschulreife zu vervollständigen, um hinterher zu studieren. Ich habe bis heute nicht studiert, obwohl ich die Qualifikation rasch erhalten habe. Später, als ich immatrikuliert war, bot mir das Arbeitsamt die Ausbildung in Bad Vilbel an mit einer kleinen Randbedingung: Jetzt oder nie.
Zusammenfassung der Kritik
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Verbesserungsvorschläge
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Ich hoffe, Sie können mit diesem Brief Ihre Kollegen in Berlin dazu anregen, dass Lehrgänge nicht einfach entfallen, sondern wirtschaftlicher gestaltet werden. Ich könnte Ihnen die Kosten für meine Lehrgänge aufzählen, wenn sie wollen. Bei diesen Zahlen hämmert's mich um. Ich bin überzeugt davon, dass das auch billiger geht. Bitte tragen Sie diese Überzeugung nach Berlin!
Vielleicht wären in meinem Fall ein BaFöG und ein Studium günstiger gewesen. Nach all den Lehrgängen habe ich eine zwölf Seiten dicke Bewerbungsmappe und keine Arbeitsstelle. Das ist schon gekürzt. Mit allen Zertifikaten käme ich locker auf 18 Seiten.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Keller
Sehr geehrter Herr Keller,
vielen Dank für Ihre E-Mail, in welcher Sie Lehrgänge der Bundesagentur für Arbeit als oft zu teuer [und] als zu wenig zielorientiert beschreiben.
Im Zuge der Haushaltskonsolidierung wird nun geprüft, ob die Arbeitsverwaltung ihre Bildungsangebote wirklich nicht zielgerichteter, effizienter und somit kostengünstiger organisieren kann. Die mehr als 88 unterschiedlichen Förderprogramme der Bundesagentur für Arbeit sollen durchforstet und verringert werden. Wir möchten uns diesbezüglich für Ihre Anregungen und Verbesserungsvorschläge, die in effizienzsteigernde Maßnahmen einfließen werden, bedanken.
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
– Mitarbeiter –
Büro MdB Wolfgang Zöller
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