Sie sind hier:  Startseite Politik Lehrgänge der BA oft zu teuer


Lehrgänge der Bundes­agen­tur für Ar­beit oft zu teu­er und wenig ziel­orien­tiert – Ver­wen­dung des Gel­des muss hin­ter­fragt werden

↓ Zusammenfassung
↓ Verbesserungsvorschläge
↓ abschließende Bitte
↓ Antwort von Herr Zöller

Anrede und Einleitung (gesendet am 29. Mai 2010)

Sehr geehrter Herr Zöller,

mit Unbehagen habe ich zur Kenntnis genommen, dass möglicherweise bald viele Lehrgänge der Bundesagentur für Arbeit wegfallen werden auf Grund von Sparmaßnahmen. Ich bin aber davon überzeugt, dass sich das ganz oder teilweise vermeiden lässt, selbst wenn die BA weniger Geld als bisher einnimmt. Ich habe selbst an einigen Lehrgängen teilgenommen und kann Ihnen daher sagen wo das Geld ungenutzt verschwindet. Wenn Sie die Zeit finden, lesen Sie die einzelnen Berichte. Eine Kurzfassung der Kritik und Verbesserungs­vorschläge finden Sie ab Seite drei.

Beispiel 1 von 3: TuWas

Im Jahr 2009 habe ich an einem Lehrgang mit dem Namen TuWas teilgenommen. Das heißt „Training und Weiterbildung für arbeitslose schwerbehinderte Menschen”. Am Anfang hat es mir richtig gut gefallen und das Bewerbungstraining sah vielversprechend aus. Wir lernten unkonventionelle und individuelle Bewerbungen zu schreiben. Dann haben wir mehrere Vorstellungsgespräche geprobt.

Schließlich mussten wir noch ein paar Tage darauf warten, dass ein Computerraum frei wurde. In dieser Zeit hat uns der Dozent alles mögliche erzählt, was aber herzlich wenig mit Arbeit und Bewerbungen zu tun hatte. Es nützt nichts, wenn man dem Arbeitslosen beibringt, wie man ein Atomkraftwerk baut, wenn er nacher noch nicht einmal einen Platz an der Supermarktkasse bekommt. Es nützt auch nichts, wenn man einem Drucker, einem Elektriker und einer Rechtsanwaltsfachangestellten beibringt, wie man im Supermarkt werbewirksam die Ware anordnet. Genau letzteres kam nämlich in einem Vortrag vor, den wir uns anhören mussten in der Woche, bevor der Computerraum frei wurde. An diesen Tagen wurde nicht nur Geld, sondern auch Zeit verschwendet. In dieser Zeit hätten die Teil­nehmer schon daheim auf Stellensuche gehen können.

Als wir schließlich im Computerraum waren, hatten wir superneue Computer vor uns, die aber noch kaum getestet waren. Im Laufe von Wochen stellte sich heraus, dass Onlinespiele im Webbrowser durchaus möglich waren, während die Stellenbörsen irgendwo hängen blieben; typischerweise, nachdem ich bei einer Stelle auf „Details” geklickt habe. Bewerbungen per Email versenden war vorher in der Theorie dran, funktionierte aber in der Praxis nicht, insbesondere, weil man keine Anhänge hochladen konnte. Zeitweise konnte man sich bei bestimmten, bekannten Emaildiensten (beispielsweise GMX) gar nicht einloggen. Mit dieser Sperre sollte vermieden werden, dass wir im Bildungs­institut unsere private Korrespondenz erledigen. So braucht man sich nicht darüber wundern, dass die Kurs­teil­nehmer gezwungenermaßen „Wer wird Millionär?” oder „Meine kleine Farm” spielten, denn irgendwie mussten wir ja vorgeben, beschäftigt zu sein, damit wir nicht rausgeschmissen werden.

Was mich von vornherein gewundert hat: Als ich beim Arbeits­amt Obernburg mich nach dem Lehrgang erkundigte, hieß es, der sei gut, weil 70% vermittelt werden. Mit der Einstellung „bis jetzt haben wir immer 60% – 70% und mehr geschafft” ging das Bildungs­institut an die Arbeit – und fiel auf die Nase. Drei Teil­nehmer waren bereits in meinem Jahrgang zur Wiedervorlage. Nicht annähernd 70% wurden vermittelt.

Beispiel zwei von drei: Berufsförde­rungs­werk Frank­furt am Main

Eins vorab: Ich findes das Berufsförderungswerk Frankfurt am Main in Bad Vilbel nicht schlecht, im Gegenteil! Ich würde es jedem Umschüler empfehlen.

Ich habe dort als Einziger im ganzen Jahrgang die ErstAus­bildung gemacht. Alle Kollegen waren Umschüler und wurden von der Rentenversicherung bezahlt.

Die Misswirtschaft besteht hier vor allem darin, dass im Speisesaal die Teil­nehmer unbegrenzt essen können. Das wäre an sich nicht schlimm, wenn die Teil­nehmer damit vernünftig umgingen. Aber oft sind die Augen größer als der Magen. Dann gehen zum Abendessen ein oder mehrere Stapel Aufschnittwurst zurück. Zum Frühstück werden am Büffet ganze Müslischalen (zugegeben kleine) mit Marmelade gefüllt, von der anschließend nur ein Viertel aufs Brötchen geschmiert wird. Und wenn jemandem das Mittagessen nicht schmeckte, wurde es einfach aufs Förderband gestellt und ein anderes Menü geholt. Kostet ja nichts!

Auf der anderen Seite hat das BfW schon seit Ewigkeiten nicht die Fensterdichtungen ausgetauscht. Deshalb musste ich im Internat in meinem Zimmer die Fenster abkleben, um im Sommer nicht zu zerfließen. Sie erahnen schon die Heizkosten.

Es ist an der Zeit, dass RV und BA Rechenschaft fordern für die Ausgaben. Nicht nur, dass woanders die Menschen verhungern und hier quellen die Schweineeimer über – es wäre auch sinnvoll gewesen, das Geld stattdessen für Lehrmittel auszugeben.

Beispiel drei von drei: Der so­ge­nann­te Grund­aus­bildungs­lehr­gang

Im Jahr 2002, nach der zwölften Klasse ging ich von der Schule ab. Im Anschluss wurde ich vom Arbeits­amt auf einem Lehrgang geschickt. Ich wurde in eine Klasse gesteckt mit jungen Menschen, die scheinbar von der Straße aufgelesen worden waren. Ein großer Teil hatte noch nicht mal einen Qualifi­zierenden Haupt­schul­abschluss.

Es wurden also vier Klassen gebildet: Kaufmännisch, sozial, gewerblich-technisch und eine Qualiklasse. Ich habe es so erlebt, dass viele Kollegen lieber Streit anfingen, anstatt etwas vom Unterricht mitzu­nehmen. So wurden weitere Teil­nehmer demotiviert Wir hatten einen Dozent, der uns derbe Geschichten vorlas und der uns buch­stäblich vom Krieg erzählte.

Auch wäre ich im Bildungs­institut beinahe in eine Schlägerei involviert geworden. Zum Glück konnte ich Zeit schinden, bis die Lehrerin wieder kam. Wer den Lehrgang nicht zu schätzen weiß, wer lieber Aufruhr und Demotivation verbreitet, gehört meiner Meinung nach raus­ge­schmis­sen.

Ich war überhaupt nur dort, um eine Praktikums­stelle zu finden, und a.d.W. meine Fach­hoch­schul­reife zu ver­voll­ständigen, um hinterher zu studieren. Ich habe bis heute nicht studiert, obwohl ich die Qualifikation rasch erhalten habe. Später, als ich immatri­kuliert war, bot mir das Arbeits­amt die Aus­bildung in Bad Vilbel an mit einer kleinen Rand­bedingung: Jetzt oder nie.

Zusammenfassung der Kritik

  • Kurse sind wenig zielorientiert.
  • Mich nach der 12. Klasse mit Schü­lern zusammen­zu­pferchen, die z.T. noch nicht mal einen Haupt­schul­abschluss hatten, war ein Bei­spiel für „nicht zielorientiert”
  • Lehrgänge werden bezahlt nach Dauer und Zeilnehmerzahl, nicht nach Erfolg
  • Es kommt sogar vor, dass die Do­zenten Zeit totschlagen, weil dies vom Bildungs­institut so er­wünscht ist, damit das Arbeits­amt nicht sieht, dass Ressourcen ungenutzt bleiben.
  • Zeit- und kostenintensive Anfahrt. Fahrten von Amorbach nach Asch­affen­burg gehören heut­zu­tage da­zu.
  • Lehrgänge werden vom Arbeits­amt anhand ihrer Ver­mittlungs­quote gewählt. 70% gelten als ein guter Wert. Wer zu den 30% zählt, hat Pech gehabt.
  • Störende KursTeil­nehmer werden sehr lange geduldet, weil das Bildungs­institut dafür bezahlt wird. Andere Teil­nehmer werden ebenfalls demotiviert und z.T. verschreckt.
  • Lehrgänge werden angeboten nach dem Motto „jetzt oder nie”. Teil­nehmer werden unflexibel durch Druck vom Amt.

Verbesserungs­vorschläge

  • Bei der Wahl, ob überhaupt ein Lehrgang erforderlich ist und wenn ja, welcher, ist die bisherige Bildung des Teil­nehmers zu berücksichtigen.
  • Kurse einteilen nach Berufsgruppen außer bei Jugendlichen, die ihren Beruf noch nicht gefunden haben
  • BA bezahlt für jeden Lehrgang eine niedrige Grundgebühr pro Teil­nehmer und pro Unterrichtseinheit
  • BA bezahlt Prämien für jeden vermittelten Teil­nehmer an das Bildungs­institut, das die Vermittlung zu Stande gebracht hat. Es muss noch erörtert werden, ob die Vermittlung in eine Zeitarbeitsfirma dazu zählt. Es ist auch sinnvoll, wenn die Prämie erst nach drei Monaten Betriebszugehörigkeit ausgezahlt wird oder stufenweise nach zwei, vier, sechs Monaten.
  • Wird neues Inventar benötigt, das allein aus dem Gewinn nicht bezahlt werden kann, so ist dieses gesondert beim Kosten­träger zu beantragen. Dabei hat das Bildungs­institut den Zweck des neuen Inventars darzulegen. Beispiel: Erneuerung aller Fensterdichtungen um Heizkosten zu sparen.
  • Wohnortnahe Lehrgänge sind zu bevorzugen. Denn je weniger Zeit ich im Zug oder auf der Straße verbringe, desto mehr Zeit bleibt mir zum Bewerben und zum Lernen.
  • Keine unbegrenzte Verköstigung zum Nulltarif! Wenn es eine Mensa gibt eventuell dem Teil­nehmer fünf Euro täglich für das Mittagessen zur Verfügung stellen. Dann überlegt man es sich zwei Mal, ob man das Essen zurück stellt, um sich etwas ganz anderes zu holen, das dann die fünf Euro deutlich übersteigt.
  • Insbesondere bei jungen KursTeil­nehmern ohne Berufs­aus­bildung hinterfragen, ob sie motiviert sind. Wenn nicht, sollen sie sich weiter von Mama und Papa durchfüttern lassen. Die werden ihnen schon irgendwann sagen, wo es lang geht.
  • Eine Beschwerdestelle beim örtlichen Arbeits­amt einrichten, bei der man Kollegen melden kann, die den Unterricht stören. Dies soll kein Freibrief sein, damit jeder jeden anschwärzt. Nach wie vor gilt: Erst den Kollegen ansprechen, dann den Dozent und zuletzt das Arbeits­amt.
  • Zeit gewähren, damit man am angebotenen Lehrgang zu einem späteren Zeitpunkt teilnehmen kann, nachdem eigene, kostenfreie Wege fehlgeschlagen haben. Die Ablehnung eines Lehrganges nicht grundsätzlich als fehlende Mitwirkung interpretieren.

Abschließende Bitte

Ich hoffe, Sie können mit diesem Brief Ihre Kollegen in Berlin dazu anregen, dass Lehrgänge nicht einfach entfallen, sondern wirtschaftlicher gestaltet werden. Ich könnte Ihnen die Kosten für meine Lehrgänge aufzählen, wenn sie wollen. Bei diesen Zahlen hämmert's mich um. Ich bin überzeugt davon, dass das auch billiger geht. Bitte tragen Sie diese Überzeugung nach Berlin!

Vielleicht wären in meinem Fall ein BaFöG und ein Studium günstiger gewesen. Nach all den Lehrgängen habe ich eine zwölf Seiten dicke Bewerbungsmappe und keine Arbeitsstelle. Das ist schon gekürzt. Mit allen Zertifikaten käme ich locker auf 18 Seiten.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Keller

Herr Zöllers Mitarbeiter antwortete am 13. Juli 2010:

Sehr geehrter Herr Keller,

vielen Dank für Ihre E-Mail, in welcher Sie Lehrgänge der Bundes­agentur für Arbeit als oft zu teuer [und] als zu wenig ziel­orientiert beschreiben.

Im Zuge der Haushaltskonsoli­die­rung wird nun geprüft, ob die Arbeits­verwaltung ihre Bildungs­angebote wirklich nicht zielge­rich­teter, effizienter und somit kosten­günstiger organi­sieren kann. Die mehr als 88 unterschied­lichen Förder­programme der Bundes­agentur für Arbeit sollen durch­forstet und verringert werden. Wir möchten uns diesbezüglich für Ihre Anre­gungen und Verbesserungs­vorschläge, die in effizienz­steigernde Maßnahmen einfließen werden, bedanken.

Mit freundlichen Grüßen aus Berlin

– Mitarbeiter –
Büro MdB Wolfgang Zöller


Sie sind hier:  Startseite Politik Lehrgänge der BA oft zu teuer